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21/06/2019 Alles | Backen | Tipps & Tricks

Brot ist mehr als nur ein Sattmacher!

Wir waren zu Besuch bei einem der jüngsten Brotsommeliers Deutschlands! Seit zweieinhalb Jahren ist Jan-Christian von der Heide von der Linnenkerlstube in Willingen staatlich geprüfter Brot-Sommelier und mit 25 Jahren momentan der Jüngste. Aber was genau macht ein Brot-Sommelier eigentlich und was reizt Jan-Christian daran? Uns hat er‘s verraten:

 

Worin liegt der Unterschied zwischen dem Brotsommelier und dem Bäcker?

Als Bäckermeister lernt man Brot zu backen und zu verfeinern, als Brotsommelier lernt man, Brot zu verstehen. Der Bäckermeister ist der Handwerksberuf und die Voraussetzung dafür, um überhaupt die Weiterbildung zum Brotsommelier machen zu können.

Wie sieht diese Weiterbildung aus und was macht ein Brotsommelier?

Die Weiterbildung gibt‘s erst seit vier Jahren an der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim. In der einjährigen Weiterbildung lernt man alles rund ums Brot: also z.B. über die deutsche Brotgeschichte, die Brotkultur, internationale Brotsorten, sehr viel über Foodpairing – da arbeitet man mit anderen Sommeliers und Spezialisten zusammen. Dann werden Geruchs- und Geschmackssinn geschult, es gibt praktische und schriftliche Prüfungen und man muss eine Projektarbeit erstellen. Die hatte bei mir das Thema „Brot und Whiskey“. Hierfür habe ich passende Verkaufskonzepte erarbeitet und selbst ein Whistey-Brot kreiert. Das hat mich viele, viele Backversuche gekostet, da der Whiskey die Hefe kollabieren lässt und es sehr schwer ist, einen guten Teig zustande zu bringen. Dazu habe ich passende Foodpairings zu dem Thema erarbeitet, die Kurioseste war z.B. Christstollen mit Matjeshering und Whiskey-Likör.

Oh, das klingt … äh … interessant!

Ja, man muss sich auf die Sache wirklich einlassen können. Aber dieses Zusammenspiel von den jeweiligen Aromen ergibt Geschmackserlebnisse, die wir so noch nie wahrgenommen haben. Schon ein Brot aus ganz normalen Grundzutaten hat bereits 300 verschiedene Aromen. Es kann nicht nur nach Malz und Hefe schmecken, sondern auch nach Popcorn und Heu und allen möglichen anderen Nuancen. Damit kann man spannende Pairings erarbeiten.

„Das Spiel mit den Aromen ist unendlich vielseitig, man kann immer neue Pairings finden.“

Und das ist letztlich auch, was ein Brotsommelier tut?

Ja, ich empfehle Kunden, welche Zutaten und Getränke zu welchem Brot passen oder umgekehrt. Ich arbeite auch häufig mit anderen Food-Experten zusammen, bin auf Events und Messen eingeladen oder veranstalte selbst etwas gemeinsam mit meinem Bruder, der Biersommelier ist.

Woran erkenne ich als Verbraucher ein gutes Brot – schon vor dem Kauf?

Als Erstes sollte man bei einem richtigen Handwerksbäcker einkaufen, keinesfalls beim Discounter. Die Backwaren von dort werden irgendwo in Rumänien, Ungarn gefertigt aus billigen Rohstoffen, viel Hefe, in kurzer Backzeit und dann über lange Kühlketten nach Deutschland verfrachtet. Dort kommen sie dann angeblich „frisch gebacken“ aus einem Automaten – das ist unsinnig, allein schon ökologisch.

Diese Brote sind auch nicht so lange haltbar, oder?

Nein, weil bei der Produktion auf den sehr wichtigen Faktor Zeit verzichtet wird. Ein guter Handwerksbäcker lässt dem Mehl genug Zeit, mit dem Wasser zu verquellen und arbeitet noch mit Sauerteig, mit Vorteig, hat eine kühle Teigführung und eine weiche Teigführung, kann individuell noch etwas im Prozess beeinflussen wie z.B. die Backzeit verlängern oder auf die Witterung eingehen – all das können die Maschinen nicht. Das schmeckt man am Ende dann auch und merkt es beim Anschneiden. Ein gutes Handwerksbrot ist saftig, hat eine schöne Kruste, keine zu trockene Krume und hält lange frisch.

Die Rohstoffe und Zutaten spiele also für den Brotteig und den Geschmack eines Brotes auch eine wichtige Rolle?

Absolut. Neben der Zeit ist das der wichtigste Faktor. Wenn man schon bei den Zutaten anfängt zu sparen, kann am Ende auch keine gute Qualität herauskommen. Wir beziehen unser Mehl z.B. ausschließlich von einer Biomühle hier aus der Region. Wir verwenden nur naturbelassenes Meersalz aus Portugal. Und für unser Olivenbrot nehmen wir keine geschwärzten Oliven, sondern die etwas teureren Kalamata- Oliven aus Griechenland. Das spiegelt sich in den Endprodukten wider, die Kunden merken das und zahlen auch gerne etwas mehr dafür.

Unser Thema diesen Sommer ist ja Grillen. Welche Brotsorten empfiehlst Du dafür – zu Fleisch, zu Veggie, zu Wein, zu Bier?

Baguette ist eine Allzweckwaffe, die immer funktioniert – entweder pur oder mit Kräutern oder Zwiebeln. Wir backen aber zum Beispiel auch noch andere, nicht alltägliche Brotsorten, beispielsweise mit Malzbierkruste oder mit Sepia-Tinte, Kräutern der Provence und Cranberrys – das schmeckt natürlich besonders und beeindruckt, weil es schwarz ist. Auf einer Grillparty immer ein Gesprächsthema! Oder meine leckeren Grillbrötchen mit getrockneten Tomaten und allerlei Gewürzen. Zum Rezept hier lang: Grillbrötchen.

Du bist also auch für Experimente und ausgefallene Zutaten zu haben. Das liegt ja auch im Trend. Welche Trends siehst Du für dieses Jahr voraus?

Ja, Tinte find ich super. Die ist geschmacksneutral, erzeugt aber einen tollen Überraschungseffekt. Ansonsten dreht sich zurzeit ja viel um Superfood. Interessant ist z.B. aus Süßkartoffeln, Quinoa, Avocado, Lupinen neue Sorten zu kreieren.

Was bäckst Du für Kunden, die unter Glutenunverträglichkeit leiden?

Gar nicht. Ich muss das leider so sagen. Ich würde das zwar können – z.B. mit Buchweizen – aber die Kontaminationsgefahr ist dafür in einer normalen Backstube zu groß. Ich müsste separate Maschinen und Arbeitsbereiche haben, um wirklich zu gewährleisten, dass da kein Gluten drin ist. Das kann ich nicht.

Welches ist Dein Lieblingsbrot?

Ich habe Brote, die ich gerne esse und welche, die ich nicht so gerne esse, aber ich habe tatsächlich kein Lieblingsbrot. Ich esse auch gerne Brot von anderen guten Bäckereien. In Luxemburg gibt‘s einen Bäcker, der macht das geilste Weizenmischbrot der Welt, im Emsland gibt‘s eine geniale Vollkornbrot-Bäckerei, in Düsseldorf decke ich mich auch öfter mal mit Brot von einem bestimmten Bäcker ein – und so kann mein Lieblingsbrot jeden Tag ein anderes sein.

Welche Tipps und Tricks hast Du für die Leser*innen fürs Brotbacken Zuhause?

Keine Angst davor haben. Immer gute Rohstoffe verwenden: Weizenmehl Type 550, Roggenmehl Type 1150, Frischhefe, alles am besten Bio aus dem Reformhaus. Dort gibt es auch gute, fertige Sauerteige. Ansonsten wichtig: Zeit nehmen! Den Teig oder Vorteig lange kühl stellen, einen Tag oder über Nacht, und erst dann Nüsse und Kerne zugeben.

Deutschland in berühmt für seine Brotbackkunst – sie ist Weltkulturerbe. Ist Brot trotzdem zur beliebigen 08/15- Ware verkommen?

Nein, Brot ist keinesfalls eine 08/15-Ware. Im Deutschen Brotregister – einem Internetportal, das die unterschiedlichen Brotrezepte sammelt – sind über 3000 Brotsorten gelistet und das sind sicherlich nicht alle. Diese Vielfalt ergibt sich durch unterschiedlichen regionalen Bodenverhältnisse und Traditionen. Wir sind mit dieser Vielfalt aufgewachsen und viele Kunden und Verbraucher wollen sie beibehalten.

Was können wir Verbraucher für diese Deutsche Brotkultur tun?

Wie schon betont: bei guten Handwerksbäckern einkaufen. Wir Brotsommeliere sind ja die Botschafter des deutschen Bäckerhandwerks und sprechen für das gute Brot, das nicht ohne Grund Weltkulturerbe geworden ist.

Danke an Jan-Christian für das tolle Gespräch. Hier gehts zur Website und zum Onlineshop, falls Ihr Euch das richtig leckere, qualitative Bio-Brot aus der Backstube von Jan-Christian probieren möchtet: https://gourmetbrot.de/gourmetbrot-shop/

Und hier findet Ihr das Rezept für die leckeren Grillbrötchen und eine kleine Brotkunde: https://severin.com/de-de/blogazine/broetchen-vom-grill-rezept-von-brotsommelier-jan-christian/